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Ständerat Thomas Minder fordert «Privatflugabgabe»

Der parteilose Schaffhauser Ständerat Thomas Minder forderte mit einem Einzalantrag im Ständerat eine Privatflugabgabe von 500 Franken für jeden Abflug ab einem Schweizer Flughafen. In der Debatte sprach er einmal von Privatflügen, einmal von Privatjets. Was er genau meinte, konnte er nicht erläutern. Trotzdem stimmte der Ständerat dem Antrag zu.

Wer am Mittwoch, 25. September, die Debatte zum CO2-Gesetz im Ständerat verfolgt hat, wird sich verwundert die Augen gerieben haben. Im Rahmen der Beratung um die Flugticketabgabe forderte der parteilose Schaffhauser Ständerat Thomas Minder mit einem Einzalantrag eine Privatflugabgabe von 500 Franken für jeden Abflug ab einem Schweizer Flughafen (hier nachzulesen unter dem Kapitel 4b). Mit andern Worten: Alle General Aviation-, Business Aviation- und Touristenflüge ohne Flugtickets sollen neu mit einer Abgabe belastet werden. Der Ständerat stimmte dem Antrag mit 18 zu 16 Stimmen zu, bei 6 Enthaltungen.

Unklare Definition von «Privatflügen»

Das löst in Aviatikkreisen Konsternation und Unverständnis aus. Die Rede ist von einem Hüftschuss, von Vertrauensverlust in die Politik. Das Verhalten politischer Exponenten, offensichtlich in Unkenntnis der Sachlage, löst Frustration aus. Nicht ohne Grund: In der Diskussion widersprach sich Thomas Minder bezüglich der Definition «Privatflug« und und hantierte mit dem Begriff «Privatjet". Indes: «Was ganz genau unter "Privatjet" fällt, überlasse ich dem Bundesrat», führte Minder unter anderem aus. «Selbstverständlich geht es beim Fliegen im "Privatjet" in erster Linie um das gewerbsmässige Fliegen und nicht um Schulungs-, Rettungs- und Trainingsflüge oder um Flüge im Zusammenhang mit dem Holzen oder dem Versorgen von Hütten im alpinen Gebiet. Die Rega usw. würde ebenfalls nicht tangiert.» Unter die Abgabe fallen sollen laut Minder aber auch alle touristischen Sightseeing-Flüge, die kommerzielle Privatflüge darstellen würden. Weiter referierte er: «Die Anzahl Flüge, Abflüge und Flüge innerhalb der Schweiz mit Privatjets konnte ich leider nicht eruieren. Was man jedoch weiss, wenn man auf Google sucht, ist, dass alleine während des WEF in Davos etwa 1500 Privatjets in der Schweiz landen und starten. Meine Einschätzung ist jene, dass es sich um mehrere Tausend Flüge mit Privatjets oder auch Sightseeing-Flüge pro Jahr handeln muss.»

«Nicht um sich selbst zu gefallen»

Der Genfer Ständerat Robert Cramer wollte es genauer wissen und fragte nach: «In dem mir vorliegenden französischen Text sprechen wir von "Privatflügen". In Ihrer Rede haben Sie ausschliesslich den Begriff "Privatjet" verwendet. Sprechen wir also von "Privatjets" oder "Privatflügen"? Da gibt es einen grossen Unterschied.» Cramer legte massgebliche Unterschiede dar und zeigte Argumente auf, die gegen die Privatflugabgabe sprachen. Er mahnte auch, dass es darum gehe, «ein Gesetz zu erlassen, das dazu da ist, auf das Pariser Abkommen zu reagieren, und nicht, um sich selbst zu gefallen und Dinge zu verordnen, die uns gefallen oder nicht gefallen, sondern um Bestimmungen festzulegen, die auf eine bestimmte Wirksamkeit abzielen müssen.»  

Was ist ein Privatjet?

Minder legte seine Definition von "Privatjet" später noch dar: «Ich verstehe unter "Privatjet" Flugzeuge, die im Privatbesitz sind, sodass man für einen Flug kein kommerzielles Ticket kaufen muss. Die Leute müssen an irgendeinem Schweizer Flughafen lediglich das Flugzeug besteigen, um losfliegen zu können. Es geht also um Flüge, für welche kein Flugticket gelöst wird, sei es über das Internet oder an irgendeinem Schalter. Es geht um Flüge von Personen, die mit einem Flugzeug bzw. Privatjet unterwegs sind, das in ihrem Privatbesitz ist.» Diese, Minders Definition, zeugt in der Tat nicht von Fachkenntnissen, sondern lässt weiter offen, um welche Flüge es geht.

Aerosuisse verteidigt Business Aviation

Nun hat die Aerosuisse, der Dachverband der Schweizer Luftfahrt, reagiert. Iin einer Medienmitteilung verteidigt deren Präsident, Nationalrat Thomas Hurter, die Geschäftsluftfahrt, welche vorwiegend Businessjets operiert: «Die zahlreichen internationalen Firmen und Organisationen in der Schweiz haben eine starke Präsenz der Geschäftsfliegerei zur Folge. Auch der Bundesrat hat erkannt, dass die Geschäftsfliegerei von wesentlicher Bedeutung ist und ein wichtiger Motor der wirtschaftlichen Entwicklung ist.» Jetzt unter dem Deckmantel des Klimaschutzes die Wettbewerbsfähigkeit der Geschäftsfliegerei mit einer neuen Abgabe ohne Effekt auf das Klima zu schwächen, lehne die Aerosuisse ab. Ohnehin unterliege der Luftverkehr ab 2020 dem europäischen Zertifikatehandel. «Man kann dem Hasen das Fell nicht zweimal über die Ohren ziehen, ohne damit die Standortattraktivität der Schweiz für internationale Firmen und Organisationen zu schwächen», betont Hurter.

Ein dynamischer Wirtschaftszweig

Die Geschäftsfliegerei sei ein dynamischer Wirtschaftszweig, der Handel und Innovation fördert und in hochqualifiziertes Personal wie Ingenieure, Mechaniker und Piloten investiert, sagt Hurter. Die Schweiz liege in Bezug auf die Flugzeugdichte in Europa an vierter Position. Sie generiere rund 14,6 Milliarden Franken Umsatz und beschäftige direkt und indirekt 34‘000 Menschen. «Die Geschäftsfliegerei bringt ganzen Regionen in unserem Land Wachstum, indem sie Investitionen anzieht und Arbeitsstellen schafft. Diese wichtigen Funktionen der Geschäftsfliegerei für den Werkplatz Schweiz zugunsten einer Symbolpolitik zu opfern, lehnt die Aerosuisse entschieden ab.» Mit dieser Meinung dürfte die Aerosuisse nicht alleine sein. Und es bleibt die Hoffnung, dass der Nationalrat mit fachlichen Argumenten den Entscheid des Ständerats richtigstellen wird.

Kommentar – «Hüftschuss par excellence»

Im vergangenen Dezember hatte der Nationalrat eine Flugticketabgabe noch abgelehnt. Seither ist viel passiert, der Wind hat auch in der Klimapolitik gedreht.  Im September hat Bundespräsident Ueli Maurer am Klimagipfel in New York bekanntgegeben, dass die Schweiz ihr Klimaziel angepasst hat – nämlich netto null CO2-Emissionen bis 2050 – und damit das Pariser Abkommen einhalten will. Zeitgleich stellte das Parlament die Weichen, um mit den entsprechenden Massnahmen dieses Ziel zu erreichen. Vor diesem Hintergrund stimmte die grosse Kammer einer Motion zu, die die Einführung einer Flugticketabgabe fordert. Wenige Tage später hat auch der Ständerat mit der Flugticketabgabe eine Verschärfung des CO2-Gesetzes gutgeheissen. Das war absehbar; im Gegensatz zur Annahme des Antrags Minder. Ebenso knapp wie überraschend sprach sich der Ständerat auch für eine Abgabe von 500 Franken auf Flüge von Privatjets aus. Der parteilose Schaffhauser Ständerat Thomas Minder hat damit – in übereifriger Wahlprofilierungsmanier? – einen Hüftschuss par excellence produziert. Dieser nimmt seinen fatalen Lauf bereits in der Formulierung: «Privatflugabgabe». Diese soll gemäss Minder für «Flüge von Personen, die mit einem Flugzeug bzw. Privatjet unterwegs sind, das in ihrem Privatbesitz ist» gelten. Offen lässt er, was unter «Privatjet» und «Privatflüge» zu verstehen ist bzw. er delegiert die  Definition dem Bundesrat; wohl u.a. auch mangels eigenem Fachverstand. Unbelastet von einem solchen kann selbstverständlich jedes Ratsmitglied Einzelanträge stellen; dass Minder mit diesem betreffenden allerdings eine Mehrheit gefunden hat, irritiert einigermassen und ist nur damit zu erklären, dass Gegner des Gesetzes die Chance für ein Störmanöver witterten: Dem Antrag stimmten auch Ständeräte zu, die gegen eine Flugticketabgabe sind. Bundesrätin Simonetta Sommaruga plädierte vergebens für ein Nein, weil die Abgabe auf Flüge von Privatjets nicht ausgereift sei und die Angriffsfläche vergrössere. Was bleibt, ist fassungsloses Staunen ob einem weder durch- noch zu Ende gedachten Antrag, einem weiteren kontraproduktiven Parteigeplänkel, das im schlimmsten Fall verheerende Folgen für die Aviatik haben kann – und dem Souverän immerhin die Möglichkeit, am 20. Oktober bei den Parlamentswahlen korrigierend einzuwirken.
Patricia Andrighetto, Chefredaktorin «Cockpit»   

Cockpit: Ständerat Thomas Minder fordert «Privatflugabgabe»